Die offizielle Trans-Fahne: Hellblau und rosafarbene Streifen symbolisieren die klassischen Geschlechterrollen (hellblau für männlich und rosa für weiblich). Der weiße Streifen symbolisiert Transgender oder Menschen die sich geschlechtlich bewusst nicht nach dem Zwei-Geschlechter-System definieren wollen
Foto: Demetrius Freeman / Reuters

von: MARCO SCHENK

Am 31. März ist der internationaler Tag der Trans-Sichtbarkeit. Der Tag wurde von der US-amerikanischen Trans-Aktivistin Rachel Crandall-Crocker zum „Transgender Day of Visibility“ erklärt und findet seither jährlich als Feiertag für geschlechtliche Vielfalt und weltweite Anerkennung statt. An diesem Tag gehen jährlich Tausende Transgender und deren Unterstützer für ihre Rechte auf die Straße. In Zeiten von Corona – in diesem Jahr undenkbar. In den meisten Ländern, in denen Transgender überhaupt gesellschaftlich und politisch größere Beachtung finden, herrscht Ausgangssperre oder Kontaktverbot.

Seit Jahren schon protestieren Transgender-Verbände und Aktivisten dafür, dass das für sie als entwürdigend empfundene Transsexuellengesetz (TSG) in Deutschland endlich geändert wird. In diesem Jahr muss der Protest online stattfinden – und ist deshalb nicht leiser.

► Der völlig überholte Name stammt aus dem Jahr 1981. In diesem Jahr trat das Gesetz in Kraft. In den 39 Jahren wurde es vom Verfassungsgericht immer wieder in Teilen als verfassungswidrig erklärt und entsprechend verändert. Doch zufriedenstellend ist es für die allergrößte Mehrheit der Transgender in Deutschland noch lange nicht.

Worum geht es genau?

Transpersonen, die ihren Geschlechtseintrag im Personalausweis ändern lassen wollen, erwartet bislang ein sehr komplizierter Prozess. Viele Betroffene beschreiben den Prozess zum neuen Ich im Pass sogar als menschenunwürdig.

Laut Transgenderverbänden diskriminiert das deutsche Transsexuellengesetz hunderttausende Menschen, „die lediglich ihren Personenstand oder Vornamen ändern möchten“:

  • Trans-Personen müssen sich einem entwürdigenden Gerichtsverfahren und demütigenden Begutachtungen unterziehen
  • für intersexuelle Personen gilt eine andere Regelung: Sie müssen ein ärztliches Attest vorlegen und werden damit erneut pathologisiert
  • für nicht-binäre Personen, also Menschen die sich nicht dem Zwei-Geschlechter-System (männlich/weiblich) zuordnen, und keine Inter-Diagnose haben, gibt es überhaupt keine gesetzliche Möglichkeit für einen zutreffenden Geschlechtseintrag.

Die Bundesregierung arbeitet zwar derzeit an einem neuen Gesetzesentwurf, ob der Wunsch nach mehr Selbstbestimmung dabei aber auch berücksichtigt wird, bleibt allerdings fraglich. Laut Experten ist das Gesetz mittlerweile komplett veraltet. Zudem wurden und werden die Betroffenen bei Reformvorschlägen nicht einmal involviert. Wie eine Transfrau diesen Prozess erlebte, lesen Sie hier.

Was ist der Ergänzungsausweis?

Im Alltag werden häufig Papiere benötigt, die eine Person eindeutig ausweisen. Bei Trans-Personen stimmen jedoch die Personalpapiere meist nicht mit der eigenen geschlechtlichen Verortung überein, solange eben diese Personenstandsänderung nicht vorgenommen wurde.

Aber selbst dann stimmen die Papiere manchmal nicht überein, weil es in Deutschland bisher nur möglich ist, die Geschlechter „männlich“ oder „weiblich“ eintragen zu lassen. Ähnlich kann dies auch beim äußeren Erscheinungsbild der Fall sein, das von Außenstehenden oft falsch gedeutet wird. Das führt sehr häufig zu unangenehmen, belastenden und erniedrigenden Fragen oder sogar gefährlichen Situationen.

Die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti) hat einen Weg gefunden, diesem Zustand zumindest zum Teil Abhilfe zu schaffen: Der dgti-Ergänzungsausweis enthält alle selbstgewählten personenbezogenen Daten, sowie ein aktuelles Passfoto, so dass keine Diskrepanz zwischen den Papieren und der Person bestehen bleibt. Die Dreisprachigkeit (Deutsch, Französisch und Englisch) ermöglicht die Verwendung auf Reisen ins Ausland.

Derzeit ist dieser Ergänzungsausweis die einzige standardisierte Form eines Ausweispapiers in Deutschland, das der besonderen Situation betroffener Menschen Rechnung trägt.

Selfie-Aktion als Online-Protest

Um auch online protestieren zu können, stellt die dgti auf ihrer Facebookseite Bilder für Selfies zur Verfügung. Die Aktivisten bitten, sich damit zu fotografieren. Die Fotos sollen dann über Social Media verbreitet werden.

Zwischen 20 000 und 80 000 Transgender leben in Deutschland

Wie viele Transgender in Deutschland wirklich leben, dazu gibt es keine genauen Zahlen. Die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität schätzt, dass zwischen 20 000 und 80 000 Menschen in Deutschland transsexuell sind. „Transsexuelle Menschen werden ja nur dann sichtbar, wenn sie sagen: ,Halt, ich bin im falschen Geschlecht, ich muss mein Äußeres dem Inneren angleichen‘“, erklärt der Verein.

Julia Monro (38) kämpft seit Jahren für die Rechte von Transgender in Deutschland

Julia Monro (38) kämpft seit Jahren für die Rechte von Transgender in Deutschland Foto: privat

„Das Transsexuellengesetz gehört geändert“, findet auch Julia Monro (38). Die Menschenrechtsaktivistin ist eine der zentralen Ansprechpersonen für die Lebenssituation transsexueller Menschen in Deutschland. Sie verhandelt direkt mit der Bundesregierung, und macht die Öffentlichkeitsarbeit bei der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität.

Petition zur Änderung des TSG

Auch die Menschenrechtsorganisation All Out fordert – gemeinsam mit dem Bundesverband Trans* – einen neuen Entwurf des Transsexuellengesetzes. Sie wollen erreichen, dass die Empfehlungen der Betroffenenverbände endlich umgesetzt werden.

Im Klartext: Das Recht auf einen selbstbestimmten Geschlechtseintrag „ohne entwürdigende und unnötige medizinische und psychologische Gutachten“.

Die Nürnberger Landtagsabgeordnete essa Ganserer (42) outete sich im Januar 2019 als Transgender

Die Nürnberger Landtagsabgeordnete Tessa Ganserer (42) outete sich im Januar 2019 als Transgender Foto: Karina Palzer

Um das zu erreichen, hat die Menschenrechtsorganisation All Out – gemeinsam mit dem Bundesverband Trans* – eine Petitionskampagne gestartet. Das Ziel: mindestens 10 000 Unterschriften für eine Gesetzesänderung. Unterstützt werden sie dabei von der queerpolitischen Sprecherin und Mitglied des Bayerischen Landtags, Tessa Ganserer (42). Sie hilft den Aktivisten mit einer Videobotschaft.

Hier können Sie die Petition unterzeichnen.

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Quelle: https://www.bild.de/lgbt/2020/lgbt/tag-der-trans-sichtbarkeit-transsexuellengesetz-gehoert-geaendert-69730552.bild.html vom 31.03.2020