Schockierender Beschluss[1] am Bundesgerichtshof – Geschlecht ist kein GefühlDer Bundesgerichtshof (BGH) hat mit der “empfundenen Intersexualität” die zahlreichen Versuche die geäußerte Geschlechtszugehörigkeit juristisch in Worte zu fassen um eine weitere Variante bereichert und dabei verkannt, dass ein gefühltes Geschlecht gar nicht existiert. Die Geschlechtszugehörigkeit ist kein Gefühl sondern – wie auch im Urteil vollkommen richtig ausgeführt – das verfassungsgerichtlich anerkannte von körperlichen Gegebenheiten unabhängige Wissen um die eigene Zugehörigkeit.

Julia Monro meint dazu: „Den Unwillen des Gesetzgebers sich mit dieser Thematik zu befassen, den verurteilen wir aufs Schärfste. Uns liegen u.a. Beschwerden von Ärztekammern vor, dass der Gesetzgeber eine verfassungsrechtliche Frage auf die Ärzteschaft abwälzt und anschließend deren Kompetenzbereich anzweifelt. Es hat außerdem eine ganz besondere Qualität wenn bereits im Gesetzgebungsverfahren auf Folgeprobleme hingewiesen wurde und nach Inkrafttreten innerhalb von nur einem Jahr die ersten Verfahren bereits die höchste Instanz erreichen. Zudem macht es schier fassungslos, wie nun ein höchstrichterlicher Beschluss längst bestehende Urteile des Bundesverfassungsgerichts ignoriert. Der Gesetzgeber hat 2017 einen klaren Auftrag erhalten eine bestehende Inkongruenz zwischen der Geschlechtszugehörigkeit und dem rechtlichen Personenstand berichtigen zu können. Daraus ergibt sich der “Zweck der Norm”, welcher eine niedrigschwellige Möglichkeit bieten muss eine Kongruenz herstellen zu können. Der nun verwendete Sprachgebrauch des BGH ist schockierend und verdeutlicht, dass wir noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten haben.“

Hintergrund:

Das Bundesverfassungsgericht hat am 17.10.2017 erkannt, dass es verfassungswidrig ist, wenn das binäre Geschlechtssystem dazu zwingt zwischen weiblich und männlich wählen zu müssen. Dem Gesetzgeber wurde aufgetragen bis Ende 2018 einen weiteren positiven Geschlechtseintrag zu schaffen. Trotz der Hinweise auf Folgeprobleme wurde eine stark kritisierte „Minimallösung“[2] verabschiedet. Nachdem die praktische Anwendung dem Bundesinnenministerium missfiel, versuchte dieses mit einem einschüchternden[3] Rundschreiben[4], dessen rechtliche Zulässigkeit umstritten ist, die Deutungshoheit über das Gesetz zu erlangen. Dieses hatte zahlreiche Gerichtsverfahren zur Folge weil Standesämter anschließend eine Kontrollfunktion einnahmen und gerichtliche Entscheidungen forderten. Letztendlich lag es nach einem Jahr am BGH eine höchstrichterliche Entscheidung zu treffen. Es ist das erste Urteil aus einer Reihe weiterer Verfahren, die noch beim BGH anhängig sind.

[1] Link zum BGH-Beschluss (XII ZB 383/19): https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=2020&Seite=1&nr=106062&pos=41&anz=731&Blank=1.pdf

[2] https://www.djb.de/verein/Kom-u-AS/K2/st18-11/

[3] https://eufbox.uni-flensburg.de/index.php/s/WwkHJkHaEaHpkQk (das Rechtsgutachten zu „Variante der Geschlechtsentwicklung in §45b PStG“ im Auftrag des BMFSFJ spricht von „Einschüchterung“)

[4] https://www.personenstandsrecht.de/SharedDocs/kurzmeldungen/Webs/PERS/DE/rundschreiben/2019/0122-aenderung-geburtenregister.html


Quelle: Pressemitteilung vom 23.05.2020 der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e.V. (www.dgti.org)