Olaf Latzel, evangelikaler Pastor einer Kirchengemeinde in Bremen, fiel wiederholt durch LGBTI*-feindliche, frauenfeindliche und antiislamische Äußerungen auf. Unter anderem bezeichnete er Homosexualität als „todeswürdig“. Anfang Juli hat die Bremer Staatsanwaltschaft nun Anklage gegen Latzel erhoben. Trans* Aktivistin Julia Monro, die selbst einmal Teil einer solchen Kirchengemeinde war, hatte mit dem Pastor persönlich zu tun. Im SIEGESSÄULE-Kommentar erklärt sie, warum sie es richtig findet, Latzel für seine Hassbotschaften zu verklagen

Sprache hat Macht. Menschen, die auf einer Kanzel stehen und zu anderen sprechen, sind sich dessen in der Regel bewusst. Sie setzen das Machtpotential von Sprache auch gezielt ein, weil sie damit ein Ziel verfolgen

So kommt es, dass ein gewisser Pastor aus Bremen regelmäßig seine Kanzel nutzt, um das Evangelium zu verbreiten. Doch wählt er seine Worte oft so, dass andere sich verletzt fühlten. Nun wird er angeklagt. Zurecht.

Ich habe wie Pastor Olaf Latzel Theologie studiert, was auch Fächer wie Rhetorik umfasst. Ich kenne die Wirkung von Sprache. Auch ein Olaf Latzel hat das gelernt, und ist sich mit Sicherheit darüber bewusst, mit welcher Wortwahl er welche Bilder in den Köpfen derer erzeugt, die ihm zuhören.

So setzte Latzel in seinen Reden zum Beispiel Begriffe wie „Verbrecher“ mit CSD-Teilnehmenden in Verbindung, oder er bezeichnete Homosexuelle als „todeswürdig“. Worte werden schnell zu Handlungen. Nicht selten folgen Gläubige den Aufforderungen ihrer geistlichen Führer. Ob Latzel weiß, was solche Menschen mit mir und meinesgleichen anstellen?

„Ich fürchtete um mein Leben und suchte die Unterstützung meiner Gemeinde. Fehlanzeige! Ich sei ja selbst schuld, wenn ich so einen provokanten Lebensstil wähle.“

Ich war Teil einer solchen Gemeinde, sie wurde sogar von meinen Eltern gegründet und ich bin von Kind an in diesen Kreisen aufgewachsen. Als ich unfreiwillig von meinen damaligen Vertrauenspersonen geoutet wurde, erlebte ich etwas, was man wohl als Hölle auf Erden bezeichnet. Nächstenliebe wird zur Nebensache. Das biblische Gesetz muss mit aller Gewalt durchgesetzt werden. Ich musste mir Beschimpfungen wie „Hure“ und „Schlampe“ anhören. Ich erhielt Morddrohungen und im Internet tauchten Erotikanzeigen über mich auf. Mit nächtlichem Klingelterror und zerstochenen Autoreifen sendete man mir deutliche Signale. Täter? Unbekannt!

Ich fürchtete um mein Leben und suchte die Unterstützung meiner Gemeinde. Fehlanzeige! Ich sei ja selbst schuld, wenn ich so einen provokanten Lebensstil wähle. Ohne Gelegenheit, für mich selbst zu sprechen und mich zu erklären, wurde ich ausgeschlossen. Begründung: „Die seelsorgerlichen Probleme sind zu weit fortgeschritten“.

Wenn ich Mitgliedern der Gemeinde begegnete, wechselten sie die Straßenseite und brachten ihre Kinder in Sicherheit. Man befürchtete, dass die Kinder in meiner Gegenwart zu „Schwuchteln“ werden könnten, und ich musste mit ansehen wie Kinderaugen sich mit Tränen füllten und sagten: „Ich will hier weg, ich möchte nicht in die Hölle“.

„Man empfahl mir Konversionstherapien. Ich nahm sogar Kontakt auf, aber bei der Aussage, Jesus könne mich heilen, habe ich schnell wieder Abstand genommen.“

Auch meiner eigenen Familie war die Bibel wichtiger als ich. Ich war Ihnen peinlich und wurde als Schande beschimpft. Ich sei krank und man empfahl mir Konversionstherapien. Das „Weiße Kreuz“ oder das „Deutsche Institut für Jugend und Gesellschaft (DIJG)“, oder eben jener Pastor Olaf Latzel könnten mir bei meinem Problem weiterhelfen. Ja ich habe sogar Kontakt aufgenommen, aber bei der Aussage, Jesus könne mich heilen, habe ich schnell wieder Abstand genommen.

Niemand muss mich heilen! Weil ich nicht krank bin! Punkt!

Ja, Herr Latzel, ich gebe Menschen wie Ihnen die Schuld dafür, dass sie unser Evangelium (deutsch „frohe Botschaft“) umdeuten und daraus eine Hassbotschaft machen. Ich gebe Menschen wie Ihnen die Schuld, dass Menschen wie ich in Angst leben müssen. Ein Prediger, der die Angst der Menschen schürt, anstatt Ihnen Hoffnung, Liebe und Frieden zu bringen, der hat das höchste Gebot Gottes irgendwie fehlinterpretiert.

„Wer weiß ob ich heute noch atmen würde, wenn ich den Kontakt zu Latzel vertieft hätte.“

Mit Ihrem Aufruf spalten Sie die Gesellschaft, Sie zerstören Familien und treiben verängstigte Menschen in den Suizid. Menschen wie Sie verschandeln das Wort evangelikal und machen es zum Synonym für Radikalismus und eine „Einzig-wahre-Ideologie-die-nichts-anderes-neben-sich-duldet-Sekte“.

Ich persönlich bin froh, dass Gott mir in einer damals völlig verzweifelten Lebensphase den richtigen Instinkt gab, und ich mich nicht auf die Weltanschauung des Olaf Latzel eingelassen habe. Ich habe rechtzeitig Abstand genommen. Wer weiß ob ich heute noch atmen würde, wenn ich den Kontakt zu ihm vertieft hätte. Und ich danke Gott dafür, dass mein Glaube dadurch wachsen konnte.

Julia Monro, geboren 1981, wurde im frei evangelischen Glauben erzogen. Sie studierte u. a. Theologie in Bonn. Nachdem sie 2016 durch ein nicht-selbstbestimmtes Coming Out ihr soziales Umfeld verlor (Familie, Freunde, Job, Kirche), begann sie ihr Engagement für die Trans*-Community. Heute verhandelt sie u. a. direkt mit der Bundesregierung, unterstützt die Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität oder engangiert sich in rechtlichen Verfahren für einen selbstbestimmten Geschlechtseintrag.