Transfrau wird zu ihrer Masturbation befragt

Warum das deutsche Transsexuellengesetz geändert gehört

Am 31. März ist der Internationale Tag der Trans-Sichtbarkeit.

In Deutschland geht es den Menschen, die sich nicht oder nicht ganz mit dem bei der Geburt ursprünglich zugeordneten Geschlecht identifizieren, vor allem um eine rasche Änderung des deutschen Transsexuellengesetz (TSG). Für viele ein Spießrutenlauf.

In BILD erklärt eine Trans-Aktivistin das Prozedere.

Die Menschenrechtsaktivistin Julia Monro (38) berichtet über die Erfahrungen der Transfrau Stefanie
Die Menschenrechtsaktivistin Julia Monro (38) berichtet über die Erfahrungen der Transfrau StefanieFoto: privat

Die Menschenrechtsaktivistin Julia Monro (38) ist Gründerin von Transkids.de, einer Institution für Trans-Kinder und -Jugendliche, und eine der zentralen Ansprechpersonen für die Lebenssituation transsexueller Menschen in Deutschland. Sie verhandelt direkt mit der Bundesregierung und macht die Öffentlichkeitsarbeit bei der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität.

In BILD schildert sie, wie eine Transfrau den entwürdigenden Prozess zur Personenstandsänderung erlebte.

Die Transfrau Stefanie stellte, wie es das Gesetz verlangt, zunächst einen Antrag auf Vornamens- und Personenstandsänderung. Dafür musste sie sich in Deutschland laut TSG zuerst einer Richterin des zuständigen Amtsgerichtes vorstellen. Es folgte eine Zuweisung an zwei Psychotherapeuten, die ihre Situation als Gutachter bewerteten und darüber entschieden, ob ihre transgeschlechtliche Identität bereits seit mindestens drei Jahren besteht.

Bei ihrem ersten Termin wurde Stefanie in ein leeres Büro gebracht, musste dort einen Fragebogen ausfüllen. Mit äußert entwürdigenden Fragen: So wurden unter anderem Informationen zur eigenen sexuellen Orientierung gestellt. Dass die sexuelle Orientierung, also wen Stefanie liebt oder mit wem sie das Bett teilt, rein gar nichts mit dem Wunsch ihrer Vornamensänderung zu tun hat, irritierte sie zunächst.

„Wie oft masturbieren Sie?“

Der Bogen enthielt weitere Fragen, die Stefanie schockierten. Darin wurden unter anderen Informationen zu Zungenküssen, zur „manuellen und oralen Stimulation einer weiblichen Brust“ oder des „weiblichen Genitals“ abgefragt.

Im Fragebogen musste sich Stefanie zwischen „nie“, „einmal“ oder „mehrmals“ entscheiden
Im Fragebogen musste sich Stefanie zwischen „nie“, „einmal“ oder „mehrmals“ entscheiden Foto: privat

In Punkt 10 dann diese Frage: „Wie oft masturbieren Sie durchschnittlich innerhalb eines Monats?“ Für Stefanie war diese Frage ein Unding, empört vermerkte sie auf dem Fragebogen nur: „Was soll das?“

Nachdem sie ihre Anmerkungen auf dem Fragebogen machte, fotografierte Stefanie als Beweis noch hektisch den Teil
Nachdem sie ihre Anmerkungen auf dem Fragebogen gemacht hatte, fotografierte ihn Stefanie als Beweis noch hektisch Foto: privat

Aus Scham sprechen nur wenige öffentlich darüber

Stefanie erzählte danach: „Ich war so wütend über diese Unverschämtheit, aber im selben Moment bekam ich Angst, weil ich nicht wusste, was passieren würde, wenn ich den Fragebogen nicht zu Ende ausfülle. Wird mir dann mein Name nicht gewährt, weil ich denen nicht mitteile, wie oft ich masturbiere? Und was hat mein Sexualverhalten mit meinem Geschlechtseintrag in der Geburtsurkunde zu tun? Warum hat der Staat ein Interesse an meiner Sexualität? Ich fand das absolut unmenschlich und unwürdig. In der Selbsthilfegruppe hat man mir gesagt, das sei ein Klacks – ein 45-minütiges Gespräch und das war es dann. Von wegen. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich mich zuletzt so erniedrigt gefühlt habe“, berichtet sie.

„Standardfragebogen, den wir immer verwenden“

Nach dem Ausfüllen wurde ihr vom Gutachter erklärt, dass das „der Standardfragebogen, den wir immer verwenden“ sei. Stefanie schilderte den weiteren Verlauf des Gespräches als „respektvoll“.

Doch dann folgte die nächste Frage des Gutachters: „Für wann haben Sie die geschlechtsangleichende Operation geplant?“ Stefanie wollte wissen, ob sie denn erst durch eine Operation zu einer Frau werde? Und: Was das an ihrem Selbstbild ändere und in welchem Zusammenhang das mit ihrem rechtlichen Personenstand stehen würde?

Transsexuelle, die das, was Stefanie erlebt hat, durchmachen, gibt es viele in unserem Land. Aus Scham sprechen aber nur wenige öffentlich darüber. Auch Stefanie hatte Angst, „sich alles zu versauen“, wie sie später erzählte.

Denn der Gutachter entschied sprichwörtlich über ihre Zukunft. „Gib ihm, was er möchte, und du bekommst das, was dein Leben grundlegend verändern wird“, redete sie sich zur Beruhigung immer wieder ein.

Die Geschichte von Stefanie zeigt, was es bedeutet, nicht selbst über seinen Geschlechtseintrag bestimmen zu können. Der Zwang, vor einer völlig fremden Person, Dinge zu offenbaren, die in den intimsten Lebensbereich gehören, kennen vor allem die, die dieses unwürdige Prozedere bereits durchliefen. Das Gesetz steht an der Seite der Gutachter anstatt an der Seite der betroffenen Person.

„Ich hätte nie gedacht, dass da so ein entwürdigender Prozess dahintersteckt“, sagt Stefanie. Und: „Das hat Mittelalter-Niveau und sollte dringend geändert werden.“

Mittlerweile ist Stefanies Antrag angenommen. Ihre Vornamens- und Personenstandsänderung ist nun rechtskräftig.


Quelle: https://www.bild.de/lgbt/2020/lgbt/entwuerdigend-transfrau-wird-ueber-masturbationsverhalten-befragt-69734328.bild.html vom 31.03.2020